Ein Plädoyer für die Freundschaft: Beziehungen zwischen Deutschland und Polen – und was Putin damit zu tun hat

Sendenhorst. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen stand im Mittelpunkt einer Diskussionsveranstaltung, zu der die SPD Dietmar Nietan, Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, eingeladen hatte. Natürlich spielte auch Putins Krieg in der Ukraine eine Rolle.  Ein Originalartikel von Josef Thesing.

Dietmar Nietan ist in diesen schwierigen Monaten ein gefragter und viel beschäftigter Mann. Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Rheinland, der auch Schatzmeister der Bundes-SPD ist, ist Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Nicht als   Diplomat, dafür ist die Regierung selbst zuständig. Er kümmert sich um die zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit von   Deutschen und Polen. Er sieht seine Aufgabe darin, zur weiteren Annäherung beider Gesellschaften beizutragen und gemeinsame deutsch-polnische   Projekte voranzubringen.

Nietan gehört dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages an und ist dort Berichterstatter für die SPD-Fraktion unter anderem über das, was sich in der Ukraine tut. „Es gibt viel zu tun und zu reden“, sagt Nietan am Sonntagmorgen im Gespräch mit der Redaktion.

Europa in Partnerschaft stark machen

Und bei all dem mischt derzeit der russische Präsident Wladimir Putin nicht nur im Hintergrund kräftig mit.

Ein komplexer und schwieriger Themenbereich also, den Nietan mit nach Sendenhorst ins Foyer der Firma Erdnuß Druck gebracht hat. Nietan ist der vierte prominente Gast, den die Sendenhorster SPD zu ihrem 100-jährigen Bestehen eingeladen hat. Diesmal geht es – hoch aktuell – um das Verhältnis der Deutschen zu ihren mittel- und osteuropäischen Nachbarn, vor allem zu Polen, wo sich Nietan auskennt. „Angesichts der russischen Aggression sind Deutsche und Polen heute mehr denn je gefordert, in enger Partnerschaft Europa stark zu machen und für unsere gemeinsamen Werte einzutreten“, sagt Nietan.

Ein geschichtlich schwieriges Verhältnis

Geschichtlich gesehen, war das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen oft mindestens schwierig, manchmal mehr als dramatisch. Das habe heute immer noch Vorbehalte und auch Existenzängste auf polnischer Seite zur Folge. Bernhard Daldrup, Kollege von Dietmar Nietan im Deutschen Bundestag, erinnerte daran, dass „Polen mehrfach von der Landkarte einfach verschwunden war“. Da sei es nur verständlich, so Dietmar Nietan, dass sich viele in Polen derzeit wieder große Sorgen machten – und auch, dass die damalige Ostpolitik von Willy Brandt und Egon Bahr heute auf den Prüfstand gestellt werde, weil Putin so vorgehe, wie er vorgehe.

Die Zustimmung in Polen zur EU sei – unabhängig von der derzeitigen Regierung, die Freiheitsrechte einschränke – insgesamt groß. Für die Polen sei es wichtig, wertgeschätzt zu werden, vor allem auch von Deutschland. Sie wollten innerhalb der EU nicht als „arme Brüder“ dastehen. Man solle sich daran erinnern, dass „die Polen uns die Hand zur Versöhnung gereicht haben“ – trotz allen Leids. Darauf sollte aufgebaut werden, völlig unabhängig von der derzeitigen polnischen Regierung oder auch vom Tun von Wladimir Putin. „Polen und Deutschland haben einen hohen Bildungsstand und eine große wirtschaftliche Potenz“, so Nietan.

Und manchmal sei es durchaus von Vorteil, mal etwas intensiver zuzuhören. „Wir hätten die Hinweise unserer mittel- und osteuropäischen Freunde ernster nehmen müssen“, sagte Nietan mit Blick zum Beispiel auf die Abhängigkeit der

 Deutschen von Russland, etwa beim Gas.

Und Putin? Der halte sich nicht an völkerrechtlich bindende Verträge und glaube, die „Größe und Glorie“ der Zeit vor dem Zerfall zurückbringen zu können, weil der Zusammenbruch für Diktatoren wie Putin „eine Katastrophe“ sei. „Der Westen ist wieder das Feindbild“, meinte Nietan. Entspannung? „Im Moment müssen wir davon ausgehen, dass es schlimmer wird. Auch weil Putin seinem eigenen Volk misstraut. Die Rechtsstaatlichkeit wird abgeschafft.“

Vom Streit, etwa zwischen Deutschen, Polen und auch innerhalb der EU, profitiere nur einer: Wladimir Putin. Deshalb könne man, meint Dietmar Nietan, das Verhältnis ganz gut pragmatisch sehen: „Uns verbindet mehr, als Dinge uns trennen.“

Fotos: Florian Götting

Text: Josef Thesing

 

Vorsitzende Annette Watermann-Krass übergibt im Beisein vom Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup (links) dem Gast Dietmar Nietan ein Dankeschön.